Begegnungen an Bergen und Flüssen

Zendo am Fluss
In einem alten Gebäude, in unmittelbarer Nähe zur smaradgrünen Reuss gelegen, verbirgt sich im ersten Stock ein lichtdurchflutetes Zendo in der Soto-Zen Tradition, das von Zenmeister Vanja Palmers ins Leben gerufen und geleitet wird.
Wir durften mit unseren Dharmafreundinnen und Freunden das Montag-Zazen teilen und möchten uns herzlich für die Gastfreundschaft bedanken! https://www.zendoamfluss.ch
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Die Königin der blauen Berge
Die sonnengelbe Dame strahlt uns im besten Nachmittagslicht an, die üppigen Blumen im Bauerngarten wippen, eine Gruppe junger Pfadfinder streift das Haus in Richtung Abstieg und in der gegenüberliegenden Laube, die als Erfrischungspause für durchreisende Wanderer dient, nehmen die ersten Gäste Platz: Sommeridylle am Felsentor.
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Stolz strebt sie dem hohen Himmel entgegen, die alte Villa aus Gründerzeiten, während, im hinteren Bereich, behütet durch hohe Bäume, der eigentliche Juwel erhaben einlädt: das Zendo Felsentor. https://www.felsentor.ch
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Zendo Inneres Lind Winterthur
Verborgen unter hohen Bäumen und umrankt von Glyzinien bietet das Zendo Inneres Lind schon seit vielen Jahren alles, was sich eine Sangha wünschen kann, inklusive einem großen Balkon mit Ausblick auf alte Hinterhöfe und Lauben. Es wird von der Zenlehrerin Kathrin Stotz geleitet, die in der Glassman-Lassalle-Linie steht. Wir schätzen uns glücklich über diese Verbindung und möchten uns herzlich für die Gastfreundschaft am 15.7. bedanken! https://www.zendo-inneres-lind.ch
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Gassho, Juen und Nanzan
 

Genau in der Mitte, da wo das Herz liegt

In seiner der Überlieferung nach ersten Lehrrede erläuterte der Buddha den „Mittleren Weg“ als einen Weg zwischen den Extremen einer Verpflichtung zur Askese auf der einen Seite und der Hingabe zu allen möglichen Sinnenfreuden auf der anderen Seite.
Durch Nagarjuna (ca. 2. Jhdt.), einem der einflussreichsten Gelehrten mit indischer Herkunft, gelangte die Verwirklichung des Mittleren Weges in die Kernlehre des Buddhismus.

Was bedeutet es heute, diesen anzustreben?
Der Ausdruck wird häufig verkannt als einen absichtslosen Zustand der geordneten Gleichgültigkeit, wo wir weder zu sehr wollen noch zu sehr entsagen und uns gut dabei fühlen.

Das mag ein Teilaspekt sein, aber die Alten haben mehr für uns im Sinn gehabt:
Zunächst einmal hat dieser keinen Orientierungspunkt. Da ist nichts, woran wir uns verankern könnten, weder „gut“ noch „schlecht“. Das entspricht überhaupt nicht unseren Handlungsgewohnheiten, denn wir möchten bestimmen wo es lang geht, wir möchten tun und nicht lassen und schon gar nicht möchten wir uns das Heft aus der Hand nehmen lassen und dabei voll konzentriert bleiben. In der Welt der Formen befinden wir uns wir permanent auf Lösungssuche: nachdem wir die Angelegenheit mit dem „besseres Aussehen“, „schöner Wohnen“ „mehr Anerkennung genießen“ halbwegs durchschaut haben, möchten wir zumindest alles in unserer Praxis „gut“ machen. Dieses Muster jedoch hält uns unglücklich und lässt uns weiterhin leiden, denn kurze Zeit nach unseren jeweiligen Errungenschaften wird das nächste Objekt der Zu- oder Abneigung in unserem Blickfeld erscheinen.

Der Mittlere Weg hält eine andere Kategorie bereit: er ist offen und das entspricht nicht den neurotischen Mustern nach denen wir uns sonst ausrichten. Wenn wir uns traurig, wütend, einsam fühlen, möchten wir dies verändern. Wir möchten ganz bestimmt nicht stillsitzen und tief empfinden, was wir gerade fühlen, woher es kommen könnte und welche Ausmaße es in uns annimmt.

Auf dem Kissen jedoch gibt es kein Entrinnen. Irgendwann sind die Geschichten erzählt, Filme zum x-ten Mal geträumt. In einer dieser Lücken gelingt uns etwas Mutiges: wir beurteilen nichts, was in unserem Kopf gerade erscheint. Wir sitzen still und schauen (uns) zu. Auch wenn es nur kurz anhalten wird: diese geradlinige Disziplin wird uns verändern. Wir werden die gedankliche und muskuläre Erleichterung spüren, wenn es auf einmal nur Stille gibt und kein Drama.

Wir sind mit uns, wir sind allein, wir haben keine Lösung. Was wir aber besitzen, ist der Mut, weiter still zu sitzen und zu warten. Zu fühlen uns zu sein. Nicht in anderes Tun zu springen, nur zurückzukommen, wenn wir abgewandert sind. Wohin: zu uns selbst und der edlen Einsamkeit, die uns allen eigen ist. Wir müssen das nicht besonders zelebrieren oder kultivieren: es beschreibt unseren Urzustand.

Der Mittlere Weg liefert keine Lösungsvorschläge, noch bietet er ein Erleuchtungszertifikat an oder garantiert uns festen Boden unter den Füßen.
In ihm können wir stattdessen, Zazen für Zazen, all das Denken über uns, das der anderen über uns, selbst unsere eigenen Ideale, langsam verwehen lassen. Bis sie nicht mehr sichtbar sind und da nur noch Mitfühlen ist, Humor und Neugierde, Spontanität und Imagination.

Genau deswegen sprach der Buddha darüber, denn der Mittlere Weg ist besser als jede unserer vorherigen Strategien: ein offener Geisteszustand, der sich überwiegend entspannen kann, inmitten von all den Paradoxa, den Widrigkeiten und Zweideutigkeiten, die uns auch immer innewohnen werden. Es lohnt sich also, ihn zu testen. Er wartet gerne auf uns. Seit ein paar tausend Jahren.

Gassho, Juen

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Von feurigen Landschaften am Meeresgrund

„Ich entscheide mich, nicht im Zorn zu bleiben, sondern Ausgeglichenheit zu kultivieren,“ lautet eine Interpretation des neunten Grundsatzes für ethisches Verhalten (Silas).

Bodhidharma wird dazu folgende Bemerkung zugeschrieben: „Die Natur des Selbst ist subtil und geheimnisvoll. Im Bereich des selbstlosen Dharmas wird das Nicht-Ersinnen der Wirklichkeit des Selbst um des Selbst willens der Grundsatz des Nicht-Unterhaltens von Zorn genannt.“
 
Dogen äußerte sich zu diesem Grundsatz unter anderem folgendermaßen: „Nicht Voranschreiten. Nicht Zurückweisen. Nicht solide. Nicht leer. Da ist ein Meer voller leuchtender Wolken. Da ist ein Meer voller düsterer Wolken.“
 
Es gibt verschiedene Arten von wütend sein: „akut“ und „chronisch“. Bei der akuten Wut handelt es sich um eine blitzschnelle Emotion als Reaktion auf einen unserer Triggerpunkte.
 
Hier lohnt es sich, zu schauen:
  • Bei welchen Gelegenheiten werde ich regelmäßig wütend?
  • Werde ich wütend, wenn ich selbst zum Beispiel etwas fallen lasse oder geht es mir eher bei anderen so?
  • Werde ich wütend, wenn ich selbst (von mir aus betrachtet, zu Unrecht) kritisiert werde oder eher, wenn dies bei anderen geschieht?
  • Werde ich wütend „retour“, wenn jemand anderes wütend auf mich ist oder bringt mich das eher zum Abkühlen?
  • Werde ich eher wütend auf Menschen oder auf Dinge (... wenn der PC „hängt“?)
  • Wie werde ich körperlich wütend, wie ist die Temperatur, wie beschreibe ich meine Empfindungen und wo lokalisiere ich sie in erster Linie?
  • Neige ich dazu, meine Wut auf jemanden oder etwas anderes zu verschieben, weil es mir sicherer vorkommt?
  • Wie fühle ich mich nach einem Wutanfall – körperlich/ gedanklich?

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Dies sind nur einige Fragen, mit denen es sich lohnt, zu arbeiten. Wie so viele Emotionen, hat meine Wut nicht nur einen konkreten Anlass, sondern sie wird ausgelöst, weil ich den jeweiligen „Grund“ mit etwas verbinde: meistens mit einem Ereignis aus der Vergangenheit, an das ich schlechte Erinnerungen hege. Mit anderen Worten: oben mag die Wut lodern, darunter befinden sich interessante Stockwerke zum Beispiel der Trauer, der Angst oder der Schmerzen. Manchmal können wir die tiefsitzenden Verletzungen gar nicht benennen, so schneidend sind sie und wir begnügen uns mit dem Anlass.
 
Die Fäden der Wut werden jedoch von etwas anderem zusammengehalten als ihrem sichtbaren Auslöser. Wenn wir ihnen auf die Spur kommen möchten, ist es wenig hilfreich, auf die Wut selbst zu schimpfen oder einfach zu warten, bis ihre Flamme erlischt. Sie tut es jedoch nie wirklich, denn die Wut ist schlau. Schon beim nächstmöglichen Augenblick wird sie wieder zündeln und uns meistens hilflos von ihr einnehmen lassen. Am Ende betrachten wir all das zerschlagene Porzellan um uns herum und beginnen verstohlen mit dem Aufräumen, vielleicht auch mit den Entschuldigungen. Die Wut lässt uns einsam werden und sie hält uns gefangen.
 
Da dies nun schon unser Leben lang so ist und wir alle Abläufe auswendig kennen, könnten wir darüber nachdenken, uns der Wut auf andere Weise zu nähern: neugierig zum Beispiel. Wir könnten uns betrachten, wie wir heiß werden und laut, wie wir schwitzend und prustend uns echauffieren, wie wir, die wir ansonsten jede Stubenfliege mit dem Glas hinaustragen, zu Kriegern werden, bereit, zu „stehlen“ und zu „töten“ - weil jemand sich in der Autoschlange vordrängelt.

Interessant! Wir könnten uns besser kennenlernen: so bin ich (auch). So kann ich sein, wenn... Es wird unsere Haltung über die derzeit bedauerlicherweise weit verbreitete öffentliche Wut ein wenig modifizieren.
 
Behandle Deinen Ärger mit dem größtmöglichen Respekt und der feinsten Zärtlichkeit, denn er ist nichts anderes als Du selbst. Unterdrücke ihn nicht. Sei Dir einfach seiner bewusst. Gewahrsein ist wie die Sonne – wenn sie auf die Dinge scheint, verändert sie diese. Wenn Du Dir Deiner Wut bewusst bist, wird sie verwandelt.
Thich Nhat Hanh

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Nachdem wir die Akutphase unserer Wut untersucht haben, sollten wir uns dem Aspekt widmen, den dieser Grundsatz vor allem im Blick hat: der schwelenden Wut, des dauerhaften Grummelns oder Gärens in mir. Von diesem „chronischen“ Ärger handelt der neunte Grundsatz vor allem: dem anhaltenden Verweilen in der Trennung zwischen mir und anderen, hier beispielhaft anhand der Wut dargestellt.
 
Nicht erforschte Wut spaltet. Sie wirft einen Keil zwischen uns und andere, sie polarisiert Beziehungen, Gemeinschaften, Nationen. Wenn wir aber bereit sind und nichts anderes stellt jede Meditationspraxis dar, uns diesen Kellergewölben unserer Psyche zu stellen, indem wir zumindest eine Birne einschrauben und einen Blick riskieren, werden wir - erst einmal leiden. Wir werden den Schmerz spüren, der diese Wut etabliert hat. Das ist nicht schön und gewollt, aber irgendwann muss Luft an eine Wunde kommen dürfen, sonst kann sie nicht heilen. Der Buddha wusste das, als er uns empfahl, unsere Wut zu umarmen.
 
Depression, Müdigkeit, Überdruss, geistige Unfreiheit, Abhängigkeit sind Folgen von verschobener und verdrängter Wut. Wollen wir das? Wie lange noch? Wut ist ein wunderbarer Lehrer über unser Selbst. Wut hat ein enormes Energiepotential, das wir zu unserer Unterstützung auf dem Weg umwandeln können. Nur wenn wir es vermögen, im Dunkeln zu reisen, werden wir uns am Licht des Tages erfreuen können.
 
Gassho,
Juen

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Roseburg

In der vergangenen Woche fand im „Haus der Stille“ in Roseburg unser Zen-Seminar „vom Werden und Vergehen“ statt. Die 30 Teilnehmenden kamen aus allen Richtungen in die ehrwürdige Villa, wir genossen vorzügliche Kost, teilten die Stille, unterstützen in Haus und Garten und wurden Tag für Tag mehr zu dem, was Dogen „eine Versammlung“ und Joachim Ernst Berendt „ein Klang“ nannte. Alles im Haus der Stille hilft hierbei: das freundliche Hausteam, die persönliche Atmosphäre, die friedliche Ruhe im Essensraum, das Jahrzehnte alte Zendo.

Es gibt nicht viele Orte, die eine derartige Einspitzigkeit und Privatheit, verbunden mit einer großen Liebe zum Dharma, mehr als ein halbes Jahrhundert lang aufrechterhalten können.

Das Haus der Stille in Roseburg ist ein derartiger Ort.

https://www.hausderstille.org

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Zaike Tokudo in Musanji

Am vergangenen Wochenende fand in Musanji eine "Zaike Tokudo" Zeremonie statt.
Sie bezeichnet die Entscheidung, die 16 Bodhisattva-Grundsätze für ethisches Handeln fortan zur Orientierung für mein eigenes Leben zu achten.

Die Wurzel des Japanischen Wortes "Tokudo" beinhaltet "überqueren".
Hierbei ist es jedoch nicht so, dass hier mein Weg ist und dort mein Ziel.
Das "Tokudo" bedeutet: der Weg zeigt sich, indem ich ihn gehe. Im Überqueren entsteht meine Route.

Das ist Dogens "Praxis-Erwachen" - ich betrachte jeden Moment als die nackte Wahrheit meines Lebens. Indem ich voran gehe und auf die Grundsätze als meine Orientierung vertraue, tut sich mein Weg auf, eine Dharmablume dreht die andere, es entsteht Bewegung und Leben, Fluss und Energie.

Vielen Dank an alle, die diesen schönen Tag mit uns geteilt haben!

Gassho,
Juen & Nanzan

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