Ein Esel mit lebendigem Auge
02.10.2023
Hier ist eine Geschichte:
Caoshan fragte den Mönchsälteren De:
"Der Dharma-Körper eines wahren Buddhas ist wie ein leerer Raum, der als Antwort auf fühlende Wesen Formen annimmt, wie die Spiegelung des Mondes im Wasser. Wie drückst Du die Wahrheit dieser Antwort am besten aus?"
De sagte: "Es ist wie ein Esel, der in einen Brunnen schaut."
Caoshan sagte:
"Was Du das sagst, ist sehr gut, doch es trifft es nur zu 80 oder 90 Prozent."
De sagte:
"Wie würdest Du es denn ausdrücken, Meister?"
Caoshan sagte:
"Es ist wie der Brunnen, der den Esel anschaut."
Der Lehrer Dogen sagte:
"Der Esel schaut in den Brunnen; der Brunnen schaut in den Esel. Der Brunnen schaut in den Brunnen; der Esel schaut in den Esel.
Die Erscheinungsformen des Körpers und der Gegenwart des Geistes sind grenzenlos. Die Formen, die sich als Antwort auf alle fühlenden Wesen darbieten, sind zahllos.
Das kraftvolle Auge innerhalb des Kreises erhellt das weite leere Feld und dringt wundersam zur Quelle vor, auch wenn dafür eine Burg mit Senfsamen gefüllt oder ein uralter Fels abgetragen werden muss.
Während Du Deine Reisetasche an Deiner Seite trägst: warum schreibst Du nicht einen Brief nach Hause?“
Dogen Zenji, aus dem Eihei Koroku
Caoshan fragte den Mönchsälteren De:
"Der Dharma-Körper eines wahren Buddhas ist wie ein leerer Raum, der als Antwort auf fühlende Wesen Formen annimmt, wie die Spiegelung des Mondes im Wasser. Wie drückst Du die Wahrheit dieser Antwort am besten aus?"
De sagte: "Es ist wie ein Esel, der in einen Brunnen schaut."
Caoshan sagte:
"Was Du das sagst, ist sehr gut, doch es trifft es nur zu 80 oder 90 Prozent."
De sagte:
"Wie würdest Du es denn ausdrücken, Meister?"
Caoshan sagte:
"Es ist wie der Brunnen, der den Esel anschaut."
Der Lehrer Dogen sagte:
"Der Esel schaut in den Brunnen; der Brunnen schaut in den Esel. Der Brunnen schaut in den Brunnen; der Esel schaut in den Esel.
Die Erscheinungsformen des Körpers und der Gegenwart des Geistes sind grenzenlos. Die Formen, die sich als Antwort auf alle fühlenden Wesen darbieten, sind zahllos.
Das kraftvolle Auge innerhalb des Kreises erhellt das weite leere Feld und dringt wundersam zur Quelle vor, auch wenn dafür eine Burg mit Senfsamen gefüllt oder ein uralter Fels abgetragen werden muss.
Während Du Deine Reisetasche an Deiner Seite trägst: warum schreibst Du nicht einen Brief nach Hause?“
Dogen Zenji, aus dem Eihei Koroku
Auch in diesem Jahr
Werde ich wieder
Kastanien
von Hand aufklauben
eine Frucht
drei Teile
Das Firmament
scheint heller
Wenn ich jeden Stern
einzeln betrachte.
Gassho, Juen
Das Fließen dieses Augenblicks im Wind
02.10.2023
Wenn hochgehalten, ist es das Wesentliche.
Wenn losgelassen, wird es vom Wind übertragen.
Wenn weder hochgehalten noch losgelassen, werden die zahllosen Dinge durchdrungen.
Der Strom im Tal mit seinem fließenden Wasser bei Tag und bei Nacht
wäscht Sonne wie Mond.
Der Berg mit seinen Wolken im Süden und seinem Regen im Norden wird grün und rot gefärbt.
Joshus Zypresse konnte nie ein Objekt sein.
...
Die drei Zeiten scheinen sich weder nach vorne noch nach hinten zu bewegen.
Die großen tausend Welten scheinen im leeren Himmel zu schweben.
Jeder Augenblick ist weder ich noch Du.
Übung-Erwachen kommt von Westen und von Osten.
Dogen Zenji, aus dem Eihei Koroku
Der Gründer unserer Schule war vieles: Mönch, Zenmeister, Gründer von Klöstern, Kalligraf, Schriftsteller, Philosoph, Pilger, um nur einige zu nennen.
In allem war er: Dichter. Ein Poet, der über eine auch 772 Jahre später beeindruckende Imagination verfügte. So formell er manchmal auch schrieb, so hart, bisweilen ein wenig stur er mit Zeitgenossen umging, die in seinen Augen die Tradition nicht so achteten, wie er sie verstand, so frei und ungezwungen verknüpfte er Tempi und Bilder.
Dogen ließ pausenlos neue Wortschöpfungen entstehen. Manche von ihnen können auf historische Grundlagen zurückgeführt werden, Dogen war äußerst belesen. Das ist eine Art, ihn zu studieren.
Eine andere Art besteht darin, seine Bilder auf uns wirken zu lassen und sie mit unserer eigener Meditationserfahrung zu verbinden. Denn das sind sie auch: der Versuch, das was uns im Zazen begegnet, sichtbar zu machen. Diesem Ausdruck zu verleihen, eine eigene Form zu geben.
Gassho, Juen
Wenn losgelassen, wird es vom Wind übertragen.
Wenn weder hochgehalten noch losgelassen, werden die zahllosen Dinge durchdrungen.
Der Strom im Tal mit seinem fließenden Wasser bei Tag und bei Nacht
wäscht Sonne wie Mond.
Der Berg mit seinen Wolken im Süden und seinem Regen im Norden wird grün und rot gefärbt.
Joshus Zypresse konnte nie ein Objekt sein.
...
Die drei Zeiten scheinen sich weder nach vorne noch nach hinten zu bewegen.
Die großen tausend Welten scheinen im leeren Himmel zu schweben.
Jeder Augenblick ist weder ich noch Du.
Übung-Erwachen kommt von Westen und von Osten.
Dogen Zenji, aus dem Eihei Koroku
Der Gründer unserer Schule war vieles: Mönch, Zenmeister, Gründer von Klöstern, Kalligraf, Schriftsteller, Philosoph, Pilger, um nur einige zu nennen.
In allem war er: Dichter. Ein Poet, der über eine auch 772 Jahre später beeindruckende Imagination verfügte. So formell er manchmal auch schrieb, so hart, bisweilen ein wenig stur er mit Zeitgenossen umging, die in seinen Augen die Tradition nicht so achteten, wie er sie verstand, so frei und ungezwungen verknüpfte er Tempi und Bilder.
Dogen ließ pausenlos neue Wortschöpfungen entstehen. Manche von ihnen können auf historische Grundlagen zurückgeführt werden, Dogen war äußerst belesen. Das ist eine Art, ihn zu studieren.
Eine andere Art besteht darin, seine Bilder auf uns wirken zu lassen und sie mit unserer eigener Meditationserfahrung zu verbinden. Denn das sind sie auch: der Versuch, das was uns im Zazen begegnet, sichtbar zu machen. Diesem Ausdruck zu verleihen, eine eigene Form zu geben.
Gassho, Juen
Nicht wissen, nicht erlangen
20.09.2023
Daowu fragte Shitou: „Was ist die grundlegende Bedeutung des BuddhaDharma?“
Shitou sagte: „Nicht erlangen, nicht wissen.“
Daowu sagte: „Darüber hinaus, gibt es da noch mehr?“
Shitou sagte: „Der weite Himmel hindert nicht die vorbeiziehenden Wolken.“
Nach einer Pause sagte Dogen: „Nicht erlangen und nicht wissen ist die grundlegende Bedeutung Buddhas. Der Wind bläst in die Tiefe und weite Winde wehen. Der weite Himmel hindert nicht das Treiben der weißen Wolken.
Warum also mühst Du Dich darum, Shitou zu fragen?“
Aus dem Eihei Koroku, Dogen Zenji
In unserem schönen Norden verstehen wir ein wenig von Wind. Er kann zum Beispiel wehen, toben, klatschen, pfeifen, jaulen, singen, flüstern. Wir kennen den Klang des Novemberwindes, den Februarwind, den Abendwind. Wir wissen, wie er sich auf der Haut anfühlt, wie er die Haare biegt und wie er aus unerfindlichen Gründen pünktlich um die gleichen Ecken stiebt, uns dann wieder überrascht, wenn er plötzlich heranreist, wo wir ihn nicht vermutet haben. Wir wissen, schönes und stabiles Wetter kommt bei uns oft aus dem Osten.
Wo beginnt Wind? Wie viele Winde gibt es? Wohin kann er nicht wehen? Wind verändert unsere Ansicht der Dinge. Sie sind selbst bei Windstille nicht die gleichen wie zuvor.
Wenn wir uns dem Wind entgegenstellen, können wir missmutig werden. Oder taub. Oder ziemlich nass.
Wenn wir mit ihm wiegen, ist dem nicht so.
Nichts ist falsch an Wissen oder Erlangen. Nichts ist falsch an beruflichem Ehrgeiz, an Wissensdrang und Neugierde. Nicht ist falsch daran, mich über meinen Besitz zu freuen, mein Examen, mein Auto, meine bisherige Biografie. Sie unterstützen und fordern uns, sie geben uns hochinteressante Gebiete für unsere alltägliche Praxis.
Wir leben in der Welt, das hier ist unser Kloster. Das Aufstehen am Montagmorgen, das Verdienen unserer Miete sind unsere Ess-Schalen.
Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies lediglich Attribute sind, die uns helfen, in der Welt zurecht zu kommen. Die Welt selbst, weder Wind noch Wolken, haben damit wenig zu tun.
Wenn wir ihnen folgen möchten und das tun wir mit jedem Zazen, brauchen wir nichts von alledem. Nur Freude am Fliegen und Wehen. Nur uns mitschwingen lassen und schauen, wie die Wolken ruhen und die Welt sich biegt.
Gassho, Juen
Shitou sagte: „Nicht erlangen, nicht wissen.“
Daowu sagte: „Darüber hinaus, gibt es da noch mehr?“
Shitou sagte: „Der weite Himmel hindert nicht die vorbeiziehenden Wolken.“
Nach einer Pause sagte Dogen: „Nicht erlangen und nicht wissen ist die grundlegende Bedeutung Buddhas. Der Wind bläst in die Tiefe und weite Winde wehen. Der weite Himmel hindert nicht das Treiben der weißen Wolken.
Warum also mühst Du Dich darum, Shitou zu fragen?“
Aus dem Eihei Koroku, Dogen Zenji
In unserem schönen Norden verstehen wir ein wenig von Wind. Er kann zum Beispiel wehen, toben, klatschen, pfeifen, jaulen, singen, flüstern. Wir kennen den Klang des Novemberwindes, den Februarwind, den Abendwind. Wir wissen, wie er sich auf der Haut anfühlt, wie er die Haare biegt und wie er aus unerfindlichen Gründen pünktlich um die gleichen Ecken stiebt, uns dann wieder überrascht, wenn er plötzlich heranreist, wo wir ihn nicht vermutet haben. Wir wissen, schönes und stabiles Wetter kommt bei uns oft aus dem Osten.
Wo beginnt Wind? Wie viele Winde gibt es? Wohin kann er nicht wehen? Wind verändert unsere Ansicht der Dinge. Sie sind selbst bei Windstille nicht die gleichen wie zuvor.
Wenn wir uns dem Wind entgegenstellen, können wir missmutig werden. Oder taub. Oder ziemlich nass.
Wenn wir mit ihm wiegen, ist dem nicht so.
Nichts ist falsch an Wissen oder Erlangen. Nichts ist falsch an beruflichem Ehrgeiz, an Wissensdrang und Neugierde. Nicht ist falsch daran, mich über meinen Besitz zu freuen, mein Examen, mein Auto, meine bisherige Biografie. Sie unterstützen und fordern uns, sie geben uns hochinteressante Gebiete für unsere alltägliche Praxis.
Wir leben in der Welt, das hier ist unser Kloster. Das Aufstehen am Montagmorgen, das Verdienen unserer Miete sind unsere Ess-Schalen.
Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies lediglich Attribute sind, die uns helfen, in der Welt zurecht zu kommen. Die Welt selbst, weder Wind noch Wolken, haben damit wenig zu tun.
Wenn wir ihnen folgen möchten und das tun wir mit jedem Zazen, brauchen wir nichts von alledem. Nur Freude am Fliegen und Wehen. Nur uns mitschwingen lassen und schauen, wie die Wolken ruhen und die Welt sich biegt.
Gassho, Juen
Das Gras betreten
26.08.2023
„Viel reden verursacht jede Menge Schwierigkeiten. Wenig reden hat keine Wirkung.
Nicht zu viel und nicht zu wenig redend – wie sagst Du es dann?“
Nach einer Pause sagte Dogen: „Betrete das Gras und reiche den Wind weiter.“
(aus dem Eihei Koroku)
Wir leben in einer Zeit der vielen Worte.
Da ist zunächst einmal die äußere Geschäftigkeit zu nennen: wir haben mehr Kommunikationsmöglichkeiten als je zuvor und nutzen diese auch. Uns stehen mehr Informationen als den Generationen vor uns zur Verfügung. Ob in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf den Straßen oder im Café: es tippelt und postet, es wischt und trackt kontinuierlich. Mütter schauen auf ihr Fon, während sie ihre Kinder im Wagen schieben, ein paar Jahrzehnte später ist es der Hund – das Fon etwas größer an Tasten, das Prinzip gleich. Es gibt kaum noch jemanden, der oder die sich spontan verabreden kann – wir müssen erst unseren Terminkalender befragen. In der Arbeit haben die Anforderungen, die an uns pro Zeiteinheit gestellt werden, stetig zugenommen.
Aus der Fülle der uns im Westen (immer noch) zur Verfügung stehenden Freizeitangebote etwas auszuwählen, kann genauso anstrengend sein wie die gesellschaftliche Erwartung, möglichst gesund zu leben, möglichst lange aktiv zu sein und möglichst effizient zu arbeiten. Von unseren spirituellen Erwartungen ganz zu schweigen...
Die Zunahme an Möglichkeiten zum Austausch hat weder zu einer Verbesserung der Lebensstandards aller Menschen, noch zu mehr Frieden, noch nicht einmal zu mehr Zufriedenheit derer geführt, die im größten Wohlstand leben. Eher ist das Gegenteil eingetreten – der Einsamkeitsindex in den Industrienationen steigt ständig und ist in den unter 20-Jährigen oder den am Arbeitsleben teilnehmenden Menschen am höchsten.
Das alles konnte der verehrte Meister im 13. Jahrhundert nicht vorhersehen.
Wohl aber kannte er den inneren Dialog und dieser scheint sich in den 1100 Jahren seither nicht sehr verändert zu haben: ständig und schier ununterbrochen kommentiert und blubbert unser Kopf. Er bespricht alles um ihn herum. Wenn das getan ist, Vergangenes. Wenn das erledigt ist, Zukünftiges. Wenn dies zu langweilig wird, widmet er sich uns selbst – ein schier unendlicher Fundus an Urteilen, Bewertungen und Maßregelungen. Repeat.
„Wenig reden hat keine Wirkung“. Diese Worte vom Begründer der Schule, die das stille, ungegenständliche Sitzen zur Wand als ihr Kernelement betrachtet, sind bemerkenswert.
Perfekt in Oryoki und als Doan, kerzengerade still im Zazen, das reicht Dogen, der so viel von Formen hielt, auch nicht.
Noch dazu scheint es darauf anzukommen, wie viel von jedem: nicht zu viel reden, nicht zu viel schweigen. Das Zen ist verwirrend!
Zu wenig, nur still dasitzen und mitschwingen, kann genauso krank machen wie stete Ablenkung durch Lärm und Gerede.
Letztendlich und dessen wurde selbst jemand wie der oft so eklektisch wirkende Dogen nicht müde, zu betonen, kommt es auf uns selbst an. Welche Antwort ruft gerade in mir? Was hält mich davon ab, sie zu zeigen? Wieso mache ich einen Unterschied zwischen Schweigen und Reden? Was kann mir passieren, wenn ich etwas sage, wenn ich mich äußere? Welche Annahme über mich selbst liegt dem zugrunde, dass ich in Anwesenheit anderer lieber schweige?
Was fürchte ich an der Stille? Was könnte geschehen, wenn ich einmal abwarte und den Moment klingen lasse?
In unserer Praxis üben wir all dies. Schweigen und sprechen, sich zeigen in der Stille und auf dem Marktplatz. Indem wir diese Gräser betreten, verleihen wir sowohl der Welt des Schweigens als auch der Welt des Klanges Ausdruck. Wir tun dies, ohne die Gräser zu knicken oder wegzuschieben. Wir sehen sie jedes Zazen ein bisschen deutlicher, wir spüren den Wind, der sie in Schwingung versetzt, den Tau, der sie biegsam macht und das Sonnenlicht, das sie glitzern lässt. Mit uns, denn ohne sie wären auch wir nicht.
Gassho, Juen
Nicht zu viel und nicht zu wenig redend – wie sagst Du es dann?“
Nach einer Pause sagte Dogen: „Betrete das Gras und reiche den Wind weiter.“
(aus dem Eihei Koroku)
Wir leben in einer Zeit der vielen Worte.
Da ist zunächst einmal die äußere Geschäftigkeit zu nennen: wir haben mehr Kommunikationsmöglichkeiten als je zuvor und nutzen diese auch. Uns stehen mehr Informationen als den Generationen vor uns zur Verfügung. Ob in den öffentlichen Verkehrsmitteln, auf den Straßen oder im Café: es tippelt und postet, es wischt und trackt kontinuierlich. Mütter schauen auf ihr Fon, während sie ihre Kinder im Wagen schieben, ein paar Jahrzehnte später ist es der Hund – das Fon etwas größer an Tasten, das Prinzip gleich. Es gibt kaum noch jemanden, der oder die sich spontan verabreden kann – wir müssen erst unseren Terminkalender befragen. In der Arbeit haben die Anforderungen, die an uns pro Zeiteinheit gestellt werden, stetig zugenommen.
Aus der Fülle der uns im Westen (immer noch) zur Verfügung stehenden Freizeitangebote etwas auszuwählen, kann genauso anstrengend sein wie die gesellschaftliche Erwartung, möglichst gesund zu leben, möglichst lange aktiv zu sein und möglichst effizient zu arbeiten. Von unseren spirituellen Erwartungen ganz zu schweigen...
Die Zunahme an Möglichkeiten zum Austausch hat weder zu einer Verbesserung der Lebensstandards aller Menschen, noch zu mehr Frieden, noch nicht einmal zu mehr Zufriedenheit derer geführt, die im größten Wohlstand leben. Eher ist das Gegenteil eingetreten – der Einsamkeitsindex in den Industrienationen steigt ständig und ist in den unter 20-Jährigen oder den am Arbeitsleben teilnehmenden Menschen am höchsten.
Das alles konnte der verehrte Meister im 13. Jahrhundert nicht vorhersehen.
Wohl aber kannte er den inneren Dialog und dieser scheint sich in den 1100 Jahren seither nicht sehr verändert zu haben: ständig und schier ununterbrochen kommentiert und blubbert unser Kopf. Er bespricht alles um ihn herum. Wenn das getan ist, Vergangenes. Wenn das erledigt ist, Zukünftiges. Wenn dies zu langweilig wird, widmet er sich uns selbst – ein schier unendlicher Fundus an Urteilen, Bewertungen und Maßregelungen. Repeat.
„Wenig reden hat keine Wirkung“. Diese Worte vom Begründer der Schule, die das stille, ungegenständliche Sitzen zur Wand als ihr Kernelement betrachtet, sind bemerkenswert.
Perfekt in Oryoki und als Doan, kerzengerade still im Zazen, das reicht Dogen, der so viel von Formen hielt, auch nicht.
Noch dazu scheint es darauf anzukommen, wie viel von jedem: nicht zu viel reden, nicht zu viel schweigen. Das Zen ist verwirrend!
Zu wenig, nur still dasitzen und mitschwingen, kann genauso krank machen wie stete Ablenkung durch Lärm und Gerede.
Letztendlich und dessen wurde selbst jemand wie der oft so eklektisch wirkende Dogen nicht müde, zu betonen, kommt es auf uns selbst an. Welche Antwort ruft gerade in mir? Was hält mich davon ab, sie zu zeigen? Wieso mache ich einen Unterschied zwischen Schweigen und Reden? Was kann mir passieren, wenn ich etwas sage, wenn ich mich äußere? Welche Annahme über mich selbst liegt dem zugrunde, dass ich in Anwesenheit anderer lieber schweige?
Was fürchte ich an der Stille? Was könnte geschehen, wenn ich einmal abwarte und den Moment klingen lasse?
In unserer Praxis üben wir all dies. Schweigen und sprechen, sich zeigen in der Stille und auf dem Marktplatz. Indem wir diese Gräser betreten, verleihen wir sowohl der Welt des Schweigens als auch der Welt des Klanges Ausdruck. Wir tun dies, ohne die Gräser zu knicken oder wegzuschieben. Wir sehen sie jedes Zazen ein bisschen deutlicher, wir spüren den Wind, der sie in Schwingung versetzt, den Tau, der sie biegsam macht und das Sonnenlicht, das sie glitzern lässt. Mit uns, denn ohne sie wären auch wir nicht.
Gassho, Juen